Am Samstag, 16. Juli 2022 saß ich am frühen Nachmittag im angrenzenden Waldstück auf einer Bank. Die alten Fichten waren allesamt der Borkenkäferkalamität zum Opfer gefallen. Die Flächen waren weitestgehend geräumt; erste Forstkulturen angelegt. Meine Drohne war in der Luft und zog ihre Vermessungsbahnen. Aus großer Entfernung konnte ich einen wild gestikulierenden Schreihals vernehmen. Wenige Augenblicke später baute sich der Mann vor mir auf, schrie mich lautstark an, was meine Drohne auf seiner Terrasse zu suchen hätte. Ich solle ihm sofort die Drohne aushändigen. Ich sagte ihm ruhig aber bestimmt, dass er nichts von mir bekommen würde. Er schrie daraufhin noch lauter, dass ich meine Drohne bei ihm mit der Polizei zusammen abholen könne. Ich wiederholte, das er nichts von mir bekommen würde. Er fragte nach meinem Namen und meiner Adresse. Die Informationen bekam er, dann drehte er sich um und rannte zurück. Ich packte mein Equipment ein und ging nach Hause. Es dauerte eine Weile bis die Polizei bei mir klingelte. Die Polizei beehrte mich tatsächlich mit vier (!) Polizisten. Es waren zwei Kommissaranwärter(in) und zwei Polizeikommissare. Die Anwärterin war offenbar ausgeguckt, die Anhörung durchzuführen. Ich wurde belehrt, dass ich „Betroffener in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren“ sei. Ich könne mich jetzt zum Sachverhalt äußern. Ich fragte die Anwärterin, wie der Tatvorwurf lauten würde. Den hätte sie mir nicht benannt. Sie blickte mich stumm mit großen Augen an. Ich wiederholte meine Frage und bekam keine Antwort. Ich sagte, dass sie mir schon mitteilen müsste, was mir vorgeworfen werden würde. Sonst wüsste ich ja nicht, zu welchem konkretem Sachverhalt ich mich äußern könne. Die Anwärterin blieb weiterhin still. Ich gab mich als Beamter einer Landesoberbehörde zu erkennen, der ordnungsbehördliche wie auch Ordnungswidrigkeitenverfahren tagtäglich durchführe. Ich sei etwas enttäuscht über den bisherigen Gesprächsverlauf und wüsste jetzt gerne den verletzten Paragrafen. Der glatzköpfige Polizeikommissar neben mir blaffte mich an, sie müssten keine Paragrafen kennen. Das mit den Paragrafen mag richtig sein, aber während einer Anhörung muss doch ein Polizist zweifelsfrei die mit Strafe bedrohte Handlung benennen können, oder etwa nicht? Es sieht jedenfalls komisch aus, wenn die Polizei durch die Straßen läuft, „Bußgeldverfahren“ schreit und die verbotene Handlung nicht mitteilen kann. Ich brach die Vernehmung in dem Sinne ab, dass ich keine Angaben zum Sachverhalt machen würde. Der glatzköpfige Polizist wollte meine Drohne sehen. Ich zeigte ihm die Drohne. Er nahm diese, zog sofort das Smartphone aus der Tasche und fotografierte die zusammengeklappte Drohne von allen Seiten. Die Polizei stellte dann noch meine Personalien fest und rückte ab.
Die Polizei fertigte eine Anzeige und übersandte diese, wie ich später der Akte entnehmen konnte, an das Ordnungsamt der Stadt Gummersbach. Dort war die Anzeige am 21. Juli 2022 eingegangen. Am 22. Dezember 2022 leitete das Ordnungsamt die Anzeige zuständigkeitshalber an die Bezirksregierung Düsseldorf, Dezernat 26 - Luftverkehr - weiter.
Anfang Januar 2023 übersandte mir die Bezirksregierung Düsseldorf den Anhörungsbogen. Zu meinem Erstaunen wurden im Anschreiben zwei Tatvorwürfe benannt: (1) Fliegen über einem Wohngrundstück ohne Einverständnis des Grundeigentümers und (2) fehlende/falsche Kennzeichnung der Drohne. Per E-Mail meldete ich mich bei der Bezirksregierung und bat als Betroffener um einen Termin zur Akteneinsicht. Ferner kündigte ich an, wenn ich schon mal da bin, mich nach Akteneinsicht mündlich zur Sache äußern zu wollen. Weiterhin wollte ich wissen, wie der zweite Tatvorwurf zu verstehen sei. Die Drohne sei ordnungsgemäß gekennzeichnet; was genau würde moniert?
Die Bezirksregierung schlug mir einen Termin Ende Januar vor. Fahrtkosten müsse ich selber tragen und die mündliche Äußerung wurde ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Ich könne die Akte gerne einsehen, müsse dann aber nach Hause fahren, den Anhörungsbogen ausfüllen und zurücksenden. Zur Frage der Kennzeichnung kam kurz und knapp, die Drohne wäre mit einem QR-Code gekennzeichnet. Dies sei nicht zulässig und gelte dann als nicht gekennzeichnet.
Die Ablehnung der mündlichen Äußerung wollte ich nicht akzeptieren. Ich forderte die Bezirksregierung auf, mir die Rechtsgrundlage zu benennen, nach der sie dem Betroffenen die Form der Äußerung vorschreiben könne. Die Bezirksregierung erwiderte, dass dem Betroffenen nur Gelegenheit zu geben sei, sich zur Beschuldigung zu äußern. Die Gelegenheit wäre mit Übersendung des Anhörungsbogens geschaffen. Aus § 55 (1) Ordnungswidrigkeitengesetz, der hier als Rechtsgrundlage herangezogen wurde, kann ich für mich als Betroffener aber nicht ohne weiteres ableiten, dass mir einzig die Verteidigung in Schriftform unter ausschließlicher Verwendung des von der Behörde übersandten Anhörungsbogens offen stünde. Keine andere Form der Verteidigung wäre demnach zulässig. In meiner Behörde wird dies jedenfalls anders gehandhabt und entspricht damit der Rechtsauffassung meines Justitiariats.
Ein anderer Punkt, der gegen die Haltung der Bezirksregierung spricht, ist der Amtsermittlungsgrundsatz. Danach haben Gerichte und Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen. Kündigt der Betroffene an, sich nach Akteneinsicht mündlich zur Sache äußern zu wollen, und so zur Aufklärung des Falls beizutragen, kann ihn die Behörde nach meinem Rechtsempfinden nicht wegschicken und sagen „Füllen Sie mal den Anhörungsbogen aus. Wir akzeptieren keine andere Form der Äußerung.“ Warum will die Behörde die Wahrheitserforschung durch diese Haltung künstlich erschweren?
Ob es der Bezirksregierung irgendwann zu blöd wurde oder ihre Forderung der Schriftform nicht haltbar war, bleibt weiterhin ungeklärt. Mir wurde letztendlich bestätigt, dass ich meine Aussage zu Protokoll geben könne.
Ende Januar 2023 fuhr ich zum Termin nach Düsseldorf. Ich wurde in einen Raum geführt und bekam „meine“ Verfahrensakte vorgelegt. Ein junger Mann, nicht aus der Abteilung und schon gar nicht fachkundig, saß mit mir im Zimmer. Zuerst las ich die Akte in Ruhe und danach fotografierte ich Seite für Seite der Akte mit meinem Smartphone. Im Anschluss setzte ich mich mit dem jungen Mann an einen Computer und diktierte ihm meine Aussage. Die Aussage wurde ausgedruckt, verlesen und von uns beiden unterzeichnet. Als Anlage fügte ich noch zwei Fotos meiner Drohne (ausgeklappt mit Kennzeichnung und zusammengeklappt mit Transportsicherung) sowie einen Screenshot aus AirData UAV mitsamt GoogleMaps-Karte und Flugbahnen des Tattages bei.
Anfang Februar 2023 wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen meine Person eingestellt.
Was möchte ich anderen raten, die in einer ähnlichen Situation stecken?
- Lasst euch nicht provozieren. Keine Privatperson hat euch die Drohne oder anderes Equipment wegzunehmen. Eure Personalien solltet ihr auf Verlangen aber mitteilen.
- Gegenüber der Polizei solltet ihr keine Angaben zum Sachverhalt machen. Die Polizei fertigt einzig die Anzeige und leitet sie an die zuständige Behörde weiter (wenn sie weiß, welche das ist).
- Wartet das Schreiben der Behörde ab. Lest genau, was euch vorgeworfen wird. Bei Zweifeln solltet ihr immer nachfragen. Nur so lässt sich ausschließen, dass eine Fachbehörde mit fachkundigen Beamten eine Transportsicherung für eine Drohne hält.
- Wer es einrichten kann, sollte Akteneinsicht beantragen.
- Fotografiert euch die Akte. (Kopieren wäre auch möglich, die Behörde darf dafür aber Geld verlangen.)
- Überlegt euch vorab, ob ihr euch schriftlich oder mündlich äußern möchtet.
- Bei der mündlichen Aussage habt ihr eure Führerscheine, Fotos, Flugdaten, usw. sicherheitshalber als Kopien dabei.
Und wie ging es mit dem Nachbarn weiter?
Die Hausreihe des Nachbarn besteht aus vier Einfamilienhäusern. Die Häuser stehen entlang der Straße in einer Linie, dahinter Gärten und dann Wald. Noch am Samstag sicherte ich die Flugdaten auf AirData UAV und schaute mir den Flugverlauf der Drohne an. Mir fiel dabei auf, dass die Gärten allesamt unterschiedlich lang waren. Die Waldgrenze versprang von Grundstück zu Grundstück. Aus meiner Tätigkeit im Regionalforstamt weiss ich, dass dies städtebaulich so nicht geregelt wird. Ich schaute mir die Abgrenzung des Landschaftsschutzgebietes an. Die zeichnerische Grenze verlief hinter den Häusern, parallel zur Straßenkante, und war zudem deckungsgleich mit der Waldgrenze im Flächennutzungsplan. Im nächsten Schritt verglich ich Luftbildaufnahmen der vorangegangenen Jahre bzw. Jahrzehnte. Die Gärten waren vor einigen Jahren noch alle gleich lang gewesen. Sukzessive verlängerten sich drei der Gärten in den Wald hinein. Eine forstbehördliche Genehmigung dafür besaß keiner. Aus meiner Sicht war damit der Anfangsverdacht der ungenehmigten Waldumwandlung gegeben.
Zum Verdacht der ungenehmigten Waldumwandlung wurden drei der Nachbarn gemäß § 28 VwVfG angehört. Mein Abteilungsleiter war nicht glücklich darüber, dass die Anhörungen von mir unterzeichnet wurden. Nach Rücksprache mit unserem Justitiariat sollte ich die Akten meinem Chef überlassen. Die Verfahren sind mittlerweile abgeschlossen; der Rückbau und die Wiederaufforstung wurden angeordnet.